Das Münchner Startup TWAICE sorgt mit einem digitalen Zwilling für längere Lebensdauer und geringere Kosten moderner Energiespeicher.
TWAICE Software
Diese Software ermittelt, wie gesund teure Batterien noch sind
Das Münchner Startup TWAICE sorgt mit einem digitalen Zwilling für längere Lebensdauer und geringere Kosten moderner Energiespeicher.
Die Batterie ist das mit Abstand teuerste Bauteil in Elektrofahrzeugen. Doch ausgerechnet bei dem wertvollen Energiespeicher wissen die Entwickler meist nicht, wie sehr er im Alltag wirklich beansprucht und abgenutzt wird. Das erkannten die beiden Ingenieure Stephan Rohr und Michael Baumann, als sie vor vier Jahren an ihrer Doktorarbeit forschten. Doch damit wollten sich die Forscher nicht abfinden. Sie entwickelten eine Software, die Einblicke in die tatsächlichen Vorgänge im Inneren jeder Batterie ermöglicht. So erhalten Kunden stets Informationen über den "Gesundheitszustand" der Batterie.
Die Ingenieure gründeten das Startup TWAICE und trafen mit ihrer Idee direkt in eine Marktlücke. Nicht nur Auto- und Rollerhersteller sind heute an ihrem "digitalen Zwilling" interessiert. Auch die Hersteller von elektrischen Maschinen und Werkzeugen wollen dringend wissen, wie sich ihre Batterien im Betrieb verhalten. Die innovative Anwendung hilft, die Entwicklung der Elektromobilität zu beschleunigen, weil sie die Kosten der Batterien senkt und ihre Lebensdauer verlängert.
Ursprünglich wollten Rohr und Baumann herausfinden, wie Lithium-Ionen-Batterien vor dem Recycling in anderen Bereichen eingesetzt werden können, wenn sie für die Mobilitätsanwendung nicht mehr leistungsfähig genug sind. Um dieses sogenannte Second Life zu ermöglichen, muss man aber wissen, in welchem Zustand sich eine Batterie nach ihrer primären Anwendung befindet. "Wir haben dann festgestellt, dass die Hersteller oft kaum sagen können, wie die Batterien während der Nutzung beansprucht werden", sagt Baumann. Im kalten Norwegen zum Beispiel leidet die Zellchemie mehr als im milderen Süddeutschland. Das ist zwar zu vermuten, aber das tatsächliche Alterungsverhalten einer Batterie war bisher ein großes Rätsel.
Die verbleibende Lebensdauer eines Energiespeichers ist jedoch entscheidend für die Rentabilität einer möglichen Sekundärnutzung. Nur der digitale Zwilling von TWAICE ermöglicht genaue Einblicke in die Batterie. Die Software liefert sogar Vorhersagen für die Zukunft.
Wie lange hält der Speicher, was ist nötig, um seine Lebensdauer zu verlängern, wie viel Kapazität hat die Batterie noch? Solche Fragen können beantwortet werden, wenn das Programm den laufenden Betrieb überwacht und daraus Schlüsse zieht. "Wir liefern Transparenz für unsere Kunden", erklärt Michael Baumann. Als großes Plus sieht er die Unabhängigkeit von TWAICE: "Wenn ein Batteriehersteller Informationen über sein eigenes Produkt liefert, können diese einseitig sein. Wir hingegen arbeiten mit einem neutralen Verfahren - egal, wer die Batterie gebaut hat."
Der digitale Zwilling selbst kann im Wesentlichen als ein modellbasiertes Abbild der tatsächlichen Batterie betrachtet werden. Er wird kontinuierlich mit Messdaten aus dem Betrieb gefüttert. So kennt man immer den aktuellen Zustand des Batteriesystems und kann die weitere Alterung vorhersagen. Dieses Wissen hilft in zwei großen Bereichen: bei der Entwicklung einer Batterie und bei der Überwachung ihres Betriebs.
Um den Zustand einer Batterie zu bestimmen, berücksichtigt die TWAICE-Software viele Faktoren, die sich auf ihre Lebensdauer und Leistung auswirken, z. B. die Art des Ladevorgangs. Schnelles Laden, insbesondere bei Kälte, verschleißt die Chemie schneller als ein schonender Ladevorgang. Das Programm berücksichtigt solche Alterungsfaktoren ebenso wie Wetter- und Geodaten.
Die TWAICE-Prognosen kommen zum Beispiel Flottenmanagern zugute, die zunehmend Elektroautos verwalten. Sie können nun den Status jeder Autobatterie live auf dem Bildschirm sehen und deren Wartung und Nutzung optimieren.
Auch die Nutzung von Fahrzeugbatterien als Stromspeicher wird durch die Informationen erleichtert. Die Einspeisung von überschüssigem Strom ins Netz kann für Unternehmen mit vielen E-Autos ein lukratives Zusatzgeschäft sein.
Ein klarer Nutzen der Software wird am Beispiel des Batterieverschleißes im Winterbetrieb sichtbar. Dieses Wissen könnte einem Sharing-Anbieter von Elektrorollern zugute kommen. Er kalkuliert im Voraus, ob die Zweiräder im Winter lieber im Lager bleiben. Dies wäre dann sinnvoll, wenn das zu erwartende Geschäft zu dieser Zeit geringer ist als der prognostizierte Batterieschaden.
Die TWAICE-Entwicklung kommt aber nicht nur der Elektromobilität zugute. Auch für die immer wichtiger werdenden stationären Stromspeicher ist der digitale Zwilling sinnvoll. "Wenn die Betriebsstrategie einer solchen Batterie nach einiger Zeit auf einen neuen Modus umgestellt wird, will der Betreiber im Voraus wissen, welche Folgen das für die Lebensdauer hat", sagt Rohr.
Die Unternehmen nutzen diese neue Transparenz zunehmend bei der Entwicklung von Batterien. "Ein Entwickler kann zum Beispiel sehen, wie sich der Einbau eines Kühlsystems auf die Lebensdauer der Batterie auswirkt. Dann passt er das Design entsprechend an", erklärt Rohr. Das spart Entwicklungskosten, weil die Ingenieure lange vor Produktionsbeginn reagieren können. Und sie vermeiden einen häufigen Fehler: Batterien wurden von den Herstellern bisher oft überdimensioniert, weil ihnen Informationen über die tatsächliche Degradation der Batterie fehlten. "Bis zu 30 Prozent zu groß" sei die Überkapazität heute, ergänzt Stephan Rohr. Der Industrie fehlt es schlicht an präzisen Messmethoden, um die richtige Dimension für ihre Anwendung zu finden. Angesichts der teuren Batterien kann sich dieser Fehler leicht zu Kosten von 1000 Euro und mehr pro Auto summieren.
Und auch die Entwicklung von Fahrzeugen und Werkzeugen wird mit Hilfe des digitalen Zwillings beschleunigt. "Die Entwicklung von Batterien und Zellen schreitet schnell voran. Es ist wichtig, dass wir bei der Anwendung nicht hinterherhinken", sagen die TWAICE-Gründer.
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